AKT II






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II/1


Bis Sz.4 hat da Ponte den zweiten Akt in dichten Entsprechungen zum ersten aufgebaut. Der Kaffeehausszene in I/1 entspricht die Diskussion der Damen mit Despina in II/1. Das Duett der Damen in II/2 erinnert an das identisch plazierte im ersten Akt. Und obwohl hier die Entsprechungen bis in formale Details deutlich greifen, bildet es, leicht aus der Symmetrie verschoben, den Schluss der prologartigen, monogeschlechtlichen Szene in geschlossenem Raum, mit der beide Akte beginnen. Sz.3 kommt beidemale Alfonso heraus, erst mit fingierter Hiobsbotschaft, jetzt mit einer überschwänglichen Einladung zum Gartenfest. Die Öffnung des Bühnenraumes (Kaffeebar / Garten im 1. Akt) ist etwas verschoben an den Anfang von Sz.4: ein geschmücktes Boot, Musik, Blumenschalen, Blumenkränze : die Damen betreten ihren eigenen Garten wie fremdes Terrain.
Ab hier wirken Versuche, eine kontinuierliche Analogie nachzuweisen, reichlich verkrampft. Erst Ferrandos Cavatina berührt sich wieder einleuchtend mit Dorabellas Wahnsinnsarie (I+II/9) und die Beziehung der Szenen I/11+12 (Fiordiligis Felsen-, Ferrandos Köderarie) zu den Szenen II/11+12 (Fiordiligis Kostümprobe, beider Duett) ist nicht zu übersehen. Schließlich entsprechen sich Despinas Verkleidungen in den Finali. Häufig sind asymmetrisch plazierte Analogien, etwa die von Abfahrt und Ankunft Cythera, Terzettino I/6 und Duett mit Chor, "Serenata", II/4. Oder die derselben Serenade zu ihrer Prophezeiung in I/1(Nr.3). Usw., man kann das auch übertreiben: dann steht alles mit allem in Beziehung, heraus kommt das bloße Sich-Beziehen, so leer wie die schnurgerade Symmetrieschneise, die weniger unendliche Gemüter durch das Stück schlagen.





Nr19. Arie; Despinas Lektion

Das Credo weiblicher Souveränität aus dem Mund der abhängigen Dienerin. Wirklich ist in ihrer Anleitung zur Diva ein Wünschen und Anverwandeln bemerkbar, das die Souveränität durchkreuzte, wäre nicht am Schluss, mit der Subversion des Dienens "Viva Despina che sa servir" ihre Befriedigung offenbar.
Eigentlich aber ist die Frivolität der schlimmen Despina eher zahm. Was empfiehlt sie denn, das nicht zum unverzichtbaren Bestand bloßer Selbstbehauptung zählt? Kleine Tricks, die Mimik im Griff, Theater. Und alles aus dem Fundus der "Zofe", mit verschobener Bedeutung im Umbruch zu einer nicht-theatralischen bürgerlichen Moral. Die ein Mindestmaß an Theater freilich ebensogut braucht, es aber verleugnet. Tränen sind von da bis heute aufrichtig, es ist, außer bei Kindern, unzulässig, das Strategische eines Tränenausbruchs zu bemerken, die moderne Heulsuse, ganz Schmerz, merkt es selbst nicht, und wird giftig, wenn ihr Unlauterkeit der Mittel vorgeworfen wird. Vor allem die Verinnerlichung der Aufrichtigkeitspose unterscheidet uns von Mozarts Zeit. Wir lügen nicht weniger, aber wir wissen es weniger und müßten es andernfalls verurteilen.





II/2


Das moralische Gewicht der den Akt eröffnenden Diskussionen (Rezitative II/1+2) ermittelt sich am sichersten vom Duett der Damen her. Wurde in den Rezitativen klar, daß Dorabella keine andere Sorge als die Nachbarn hat, so läßt der prompte Anschluss Fiordiligis im Duett "Ed intanto io col biondino..." keinen Zweifel, wie ihre Bedenken vorher aufzufassen sind. Nämlich weniger moralisch als charakteristisch. Das Problem mit den Nachbarn liegt auch ihr als erstes auf der Zunge und im Rezitativ vorm seligen Duett legt sie ihre Bedenken nur darum und gerade so hinderlich aus , daß sie von Dorabella aus dem Weg geräumt werden können. Sie will es nicht gewesen sein und doch nichts verpassen, das finde moralisch wer will.





Nr. 20 Duett Fiordiligi + Dorabella

Wie das erste Duett der Schwestern ("Ah guarda, sorella" I/2) der Herrenintrige den Boden schon entzieht, so bestimmt auch den zweiten Akt ihr erstes Duett darin. Die Analogie der Aktanfänge hat vorbereitet auf die sehr strenge der beiden Duette. Die Schärfe der Erinnerung erweitert das zweite um eine volle Dimension.



Dora.: Prenderò quel brunettino,
Che piu lepido mi par.
Fio.: Ed intanto io col biondino
Vo´ un po´ ridere e burlar.
Dora.: Scherzosetta, ai dolci detti
Io di quel risponderò.
Fio.: Sospirando, i sospiretti
Io dell´altro imiterò.
Dora.: Mi dirà: "Ben mio, mi moro!"
Fio.: Mi dirà: "Mio bel tesoro!"
Fio.: e Dora.: Ed intanto che diletto,
che spasetto io provero!



Dor.: Ich nehme den Braunen,
weil mir der witziger scheint.
Fio.: Und ich will derweil mit dem Blonden ein bißchen lachen und scherzen.
Dora.: Scherzend werde ich seine süßen Worte beantworten.
Fio.: Seufzend werde ich die Seufzer
des anderen nachahmen.
Dora.: Er wird mir sagen: "Meine Liebste, ich sterbe!"
Fio.: Er wird mir sagen: "Mein schöner Schatz!"
Fio. e Dora.:Und was fur ein Vergnügen,
was für einen Spaß werde ich haben!






Die Bildchen sind inwendige geworden. Man sieht mehr von den Herren - auch wenn die Dürftigkeit ihrer Attribute noch unterboten wird -, weil sie sich in der Imagination der Damen jetzt bewegen und reden. Herrenpuppen, süße Phrasen, aber das ist die ironische Balance zum entscheidenden Moment der neuen Dimension. Die Stereotypen der Bildbetrachtung kehren wieder als die Stereotypen vorgestellter Herrengalanterie. Die Imagination vertauscht die Richtung und erzeugt einen Raum, wo die bisher parallel präsente Primadonna ihrer Figur begegnet.
Solange wir vom Primadonnenreflex absahen, konnten wir die Damen des ersten Duettes für sehr jung und unerfahren halten. Das wäre vorm zweiten offensichtlicher Unsinn. Simulativ lizensiert durch Despinas Lektion wissen die Mädel Bescheid, wie den ersten Akt lang nur die Primadonna.
Auch das zweite Duett beschreibt einen Bogen. Die Damen drehen ihre vertauschten Herren das halbe Duett lang in hübschen Posen herum, und spielen - in einem analogen Sog über den ähnlich konstruierten Scheitelpunkt der Duette, jetzt im voll erwachten Bewußtsein von dem Spaß, den sie haben werden - mit dem Reiz differenzierter Distanzen: Hingabe aus souveräner Entfernung. Einen Akt lang hatte die Primadonna, das distante Korrektiv der Gänse, mit ihrer Rolle wenig gemein, und ließ sie doch nicht fallen: jetzt leiht sie ihr ihren Charme. Die Entwicklung der Rollen verdankt sich nicht einer psychologischen Anlage der Figuren. Das grundsätzlich festzuhalten, ist nötig, weil diese Annäherung der Primadonna an ihre Figur auf sie selbst zurückstrahlen wird. Da Ponte rechnet auf die unmittelbare, aber selbstbewußte Lust ihres Gesanges einerseits wie ihren "natürlichen" Abstand von der Fiktion. Heute müssen wir - nach dem Originalklang (und vielleicht sogar dringender als diesen) - das originale Theater wiederfinden und in unsere Zeit übersetzen. Dabei geht es nicht um Kostümfragen, sondern um die Person, die es trägt.
Der Ruhm der ersten bürgerlichen Schauspielerinnen hat lange gewährt. Sie waren ihm vorab gerecht: ernsthaft, sittlich, rührend: ein schon getrübtes Urteil setzte doch mit Selbstverständlichkeit bei der Schauspielerin persönlich an, eben darum fälschte man ihr Bild, sie war gewiß besser als ihr guter Ruf. Geitner Aber in der Oper? Noch bei Kierkegaard heißt es Mitte des Jahrhunderts lapidar, an einer Sängerin sei im allgemeinen nicht viel daran. Die bürgerliche Rezeption hat eigentlich unablässig versucht, ihre Moral des Stückes vor der Präsenz der Sängerin zu schützen. Heute scheint regelrecht vergessen, daß die Herrenintrige die theatralische Dominanz der Primadonna erst balanciert.
Und die Balance bleibt heikel. Bevor die Herren endlich ohne Grimasse auftreten, überholt das Duett die Verabredungen der Intrige. Die Verzögerungen und Lächerlichkeiten (Mätzchen eines vergangenen Jahrhunderts) gehen nach wie vor allein auf Herrenkosten.





II/3


Unser Eindruck von Don Alfonso muß im Verlauf des Stückes freundlicher werden. Finster zu Beginn, kein Menschenfreund, maliziös und seltsam unfrei in seiner Erfahrung, am schlimmsten wo er allein bleibt (Szene 7: diese traurige Entblößung des agressiven alten Mannes) - wird über die Kommunikation mit der Jugend ein angenehmeres Wesen frei, das seine Ansichten über die Damen und Herren, so abschätzig sie sein mögen, weniger interessiert vertritt und frei von Rachsucht des Alters ein Finale inszeniert, wie es der abgeklärteste Menschenfreund nicht zuwege gebracht hätte.
Eben tief in der Handlung, wirklich publikumsvergessen, kündigt er jetzt "Fröhlichkeit, Musik, Gesang, ein strahlendes Schauspiel" an, den care ragazze und uns selbst. Ein Impressario mit Aufgaben in der Szene, ein vecchio filosofo, der den Impressario mimt, eine Rolle des Übergangs, die das Theater sehr wirkungsvoll an unsere vernünftige Realität schließt. Nach seiner Ansage erwarten auch wir außerordentliches.





II/4




Nr. 21 Duett Ferrando + Guglielmo, mit Chor

Am Ufer ein mit Blumen geschmücktes Boot.
Die alte Theatermaschine mit ihrem Graben für das Boot schaltet Bühne und Publikum in das Ziel der Reise. Ankunft Cythera. Die Damen, eben noch winken sie dem Boot hinterher, kommen ihren Liebhabern schon entgegen.
Ihr Garten ist zu einem Fest geschmückt, mit Boot, Blumen, Serenade in ein "lebendes Bild": Cythera verwandelt. Das ist schon Cythera selber, eine rationale, theatralische Projektion. Der den Herren aufgegebene Serenadentext zieht den geschmückten Strandgarten in eine Perspektive, die schon das Wind und Wellenterzett des ersten Aktes (vom anderen Ufer her) projizierte, um im Verschwinden, jetzt der traumdeutlichen Wiederkehr des Fluchtpunktes den (Bühnen-) Raum zu verzaubern.
Die Herren singen blind, aus großer Ferne antworten sie dem Terzett, ein Gebet ans Lüftchen auf dem langen Weg zur Gebieterin. Der Text übertreibt noch die pompöse Inszenierung. Er kapselt die Herren ein, mehr als nötig, denn der übrige Aufwand (Boot Kostüme Musik) entrückte sie zur Genüge. Seemeilen fern ist jede Anrede getilgt, obwohl sie den Damen nahezu gegenüberstehen. Und einem Lüftchen übertragen sie zum Transport, was ohnehin zu Ohren kommt. Der Text rekonstruiert die Terzettperspektive, die Bühne dreht sie um und nahe heran. So rückt die ferne Insel nahe: das Unbeholfene der Herren sobald sie landen sollen, würde auch ohne die Vorbehalte der Intrige vollkommen plausibel. Denn die inszenierte Distanz, die galante Flucht im Stillstand des lebenden Bildes, die nach Cythera führt, ist dort selbst keine Hilfe mehr.
Wie stets bleibt der Text offen auch für eine komische Lektüre (was, wenn die Lüftchen von der Wette gehört hätten), und bedient die Intrige durchaus. "Erzählt meiner Liebsten alles, was ihr gehört habt". Es ist kaum zu entscheiden, wie das Zögern der Herren im folgenden Rezitativ seinerzeit spontan verstanden wurde. Gegen die (heute meist vorgezogene) Vorstellung "echter" Irritation ließe sich das Spiel der Herren auch als souveränes denken. Gesetzt, sie hätten die Intrige noch im Griff, sie könnten es kaum geschickter anstellen. Der Verlust der Kontrolle, den sie vorführen, wäre dann ein rührendes Zeichen, so üblich und unerlässlich, daß Despina es ihnen förmlich aufdrängt. Drei Möglichkeiten bieten sich an. Erstens "echtes" Zittern, zweitens gespieltes, und drittens ein echt gespieltes, womit ich, nach allem was wir darüber wissen, die bewußte Zeichenhaftigkeit auch der alltäglichen Kommunikation der Zeit meine. Das "echte" Zittern wird aus der Situation heraus durchaus plausibel. Die Herren treten aus dem arrangierten Bild und sind sich selbst überlassen. Sie haben Eindruck gemacht und sind dem verkehrten Ziel der Intrige näher denn je. Da entfernt sich das Boot und bedeutet kein Zurück.- Aber auch das souveräne Spiel bleibt nicht ohne Unterstützung im Text. Wer noch im Glanz des Cythera-Bildes seiner heimlichen Botschaft einen Weg weiß, ist womöglich geschickt genug, Unbeholfenheit vorzutäuschen.- Und zuletzt ist eine strikte Trennung zwischen echt und falsch unhaltbar. Weder das eine noch das andere stört die Kommunikation. Wenn wir jetzt das Theater einbeziehen, rücken alle Möglichkeiten nah aneinander. Das echteste Zittern ist ein gespieltes, das gespielte zeigt auf sich selbst, und das echt gespielte ist die klare Botschaft, die weil sie da ist, den Vorzug vor so wenig fruchtbaren Fragen wie echt oder gespielt verdient. Und wenn Ferrando und Guglielmo die Differenz unter sich ausmachten? Des einen komische Aufrichtigkeit

Ferr.: Io tremo e palpito
Dalla testa alle piante
[Ich zittere und bebe von Kopf bis Fuß]

amüsierte uns wie des anderen souveräne und präzis opponierende Gelassenheit.

Gugl.: Amor lega le membra a vero amante.
[Dem wahrhaft Liebenden lähmt Amor die Glieder.]

Diese Entscheidung hätte außerdem für sich, die Differenz von Ferrandos Betroffenheit und Guglielmos Abstand umzusetzen. Und sie vertrüge sich gut mit den so oft und etwas schief als Gipfel der Ungeschicklichkeit vorgestellten "Mätzchen aus dem vorigen Jahrhundert". Hier gibt es zwei mögliche Deutungen, je nachdem, an wen Ferrandos falscher Singular ('madama ...') sich richtet.
1. Ferrando geht (Guglielmo findet: übereilt) auf eine Dame zu; die Falsche nämlich. Das korrigiert Guglielmo, er muß weder kopflos noch pedantisch wirken, wenn er darum Ferrando nicht ins Wort gefallen sein will. 2. Ferrando stößt sich an Dorabellas promptem Entgegenkommen -'Sagt ganz ungezungen, was Ihr wünscht' -, er mahnt und weist seine Verlobte beinahe zurecht - madama (!) -, was Guglielmo dann veranlaßt, ihn an seine Rolle zu erinnern.


Cos'è tal mascherata? Diese Frage hat einen ambitionierten Aufsatz Wienhold/ Hueppe zu ausführlichen Spekulationen provoziert. Es handelt sich um den vielleicht ersten Versuch, den theatralischen Reflex als solchen ins Auge zu fassen. Leider beschränken sich die Autoren ganz auf diese eine Situation und brechen nie mit der landläufigen Vorstellung eines simulierenden Theaters, weshalb sie denn die reflexive Brechung in der Simulation erklären wollen. Ähnlich wie in Bearbeitungen des 19.Jhdts, wo Fiordiligi und Dorabella als in die Intrige vorab eingeweiht vorgestellt werden (was dem Primadonnenreflex natürlich den Garaus macht), versuchen Wienhold/ Hüppe sich dieses merkwürdige Wissen im Unwissen der Figuren auf simulativer Ebene zu erklären. Dabei haben Sie 'mascherata' vielleicht allzu interessiert übersetzt. Es meint durchaus auch die ganze Veranstaltung, und nicht die Verkleidung der Herren allein. Entscheidend ist, daß die Mädel keineswegs begreifen müssen, was gespielt wird, nur weil das irgendwie nahe läge, während die Serenade dauert. Den einen theatralischen Reflex, den Wienhold/Hüppe hier aufspießen - daß nämlich die Damen "Maskerade" sagen, wo´s ja doch wirklich eine ist! -, stellen sie gleich als schlimme, gottlob erlegte Bestie aus: "In jedem anderen Zusammenhang wäre der gemeinsame Ausruf [...] für die Komödie tödlich gewesen".
Machen wir die Probe: versetzen wir die Zeile an die denkbar kritischste Stelle, zurück an den allerersten Auftritt der Albaner im ersten Akt (Sz.11). Alla bella Despinetta, später aufbrausend die Damen: Ragazzaccia tracotante, und nun statt: Che fai li con simil gente? (Was machst du hier mit solchen Leuten?) : Cos'è tal mascherata! (Was ist das für eine Maskerade/Veranstaltung!) ... : Sie sehen, die Kommödie steckt das sogar hier locker weg, es wäre ein Spaß, den die Primadonnen sich an ihren Damen vorbei leisteten, simulativ aufgefangen vom exotischen Kostüm der Offiziere (und einem weniger begeisterten Tonfall). Nirgendwo wäre der Ausruf "tödlich". Genau das macht die so bürgerlich erzogene Così doch interessant: die auf Schriftweite bemerkbare Präsenz des Theaters. Darum ist es komisch, wenn die angestrengtere Rezeption seine stete Nähe noch immer als seltenes Ereignis wahrnimmt und prompt mit diesen aufgeregten und geschmäcklerischen Vokabeln: Abgrund, tödlich, Katastrophe, um sich wirft, als hörte sonst niemand zu.





Nr. 22 Quartett

Abert war noch so gründlich überzeugt von der Mangelhaftigkeit des Librettos, daß er mit pauschalen Belegen auskommt. Beim Quartett der 4.Szene glaubt er ein zündendes Sextett verschenkt:
"Die ganze doppelte Verführungsgeschichte hätte sich auf diese Art weit schlagender und kürzer abgespielt als so, wo der Dichter auf den eintönigen Verlauf von Arien und Duetten angewiesen war."
Wie sollte denn ein großes Ensemble bewerkstelligen, wofür Ferrando und Fiordiligi einen zweiten Anlauf sogar dann brauchen, wenn man sie allein läßt? Heute kann man einen Widerwillen wie den Aberts kaum noch nachvollziehen. Was er als eintönig und langweilig beklagt, könnte kurzweiliger und reizender nicht sein. Das Quartett ist kein verunglücktes Sextett, sondern ein angereichertes Duett. Alfonso und Despina bringen ihre Schützlinge auf den Weg und machen sich davon. Das Quartett leitet über zu den Verführungsversuchen a deux.

Nie war Alfonso besser. Charmant, eloquent und gerade so boshaft, daß wir ihn noch wiedererkennen. Auf rethorische Originalität kam es nicht an. Sein Witz adelt noch den "zitternden Sklaven". Solche Überlegenheit wird prompt bestätigt, wenn die armen Sklaven (der Liebe sowohl als Alfonsos Wette) den Mund endlich auftun. Wirklich elegant aber wird das selber zitierfeste

Non può quel che vuole,
Vorrà quel che può.
(Er darf nicht, was er will,
Er will, was er darf.)

in den etwas maliziösen Doppelsinn eingespannt; den Damen ein amüsant durchsichtiger Kniff, Gesittung so zu behaupten, daß sie nicht langweilig wird, den Herren ein Kostenvoranschlag. Wenn die Damen also lachen, ist das Alfonso Absicht, und der erzürnte Tonfall, den viele seiner Darsteller dem "E ridete?"/ Und ihr lacht?" glauben geben zu müssen, ist blöd. Warum sollte denn Alfonso, dem die Sache gerade jetzt Spaß macht, die helle Ironie ins Übellaunige kippen lassen, empört über die Frivolität der Mädchen? Solange Alfonso dabeisein darf, ist er angenehm. Auch ist er nie so eines Sinnes mit Despina wie eben jetzt, wo sie im Begriffe sind, die anderen sich selbst zu überlassen.
Erst aber stellt sich noch Despina vor den Frauen auf, was leicht anmaßend wirkt, da das den Frauen die Antwort abschneidet, die ihnen womöglich nicht gefehlt hätte. Sie will das Blumenspiel weiterbringen, offensichtlich ein Muß der Veranstaltung, die Erlösung der zitternden Sklaven und der Dienerin ein Anlass, die Revolution auszurufen.
Es wäre schön und böte sicher einigen Aufschluss, etwas über einen Brauch, Blumenketten symbolisch zu zerreißen und so die männlichen (!) Hälften freizusetzen, zu erfahren. Besonders, wenn wir unterstellen, daß das zeitgenössische Publikum derlei Blumenspiel selbstverständlich einzuordnen wußte. Sicher ist immerhin, daß es sich nicht um einen wiener Brauch handelt, und damit ist es wahrscheinlich, daß ganz wie wir selbst, schon das erste Publikum einen "Brauch an sich" wahrnimmt, als eine Idee allenfalls für ein Gartenfest mit dem Charme des Archaischen. Sowenig wir sonst eine zeitgenössische Auffasung zum Maß aller Dinge machen wollen, so nötig ist uns eine solche Rücksicht dort, wo unser Historismus tut, als wüßten nur wir von diesem Blumenbrauch nichts mehr.





II/5

Was ist es eigentlich, das die gut plazierte stumme Szene so wirkungsvoll macht? Ich habe noch keine Inszenierung gesehen, die sie verpatzt hätte... Das fehlende Wort, dieser peinliche Mangel ist eine ewige Katastrophe, die auch mäßigen Ensembles gelingt und ausnahmslos jeden im Publikum hypnotisiert, bis endlich wer? Fiordiligi! den Eisbrecher macht.
Lert hat vorgeschlagen, von den Duetten der vertauschten Paare her das Werk zu inszenieren, hier lohe "der ganze seelische Albdruck unseres Liebeslebens auf". (Dieser Schnitzler erschreckte einen geradezu, wenn er nicht so komisch wäre.) "Es ist ganz wunderbar, wie in den beiden Duetten das Spiel in Ernst übergeht..." Aber das Spiel selbst ist wunderbar und der Ernst ist Lust. Wo ist das Albdrücken, und brauchen wir es noch? Das nächste Duett kommt ganz ohne aus.





Nr. 23 Duett Dorabella + Guglielmo

Es führt eine Kommunikation vor, wie sie würdiger, einverständiger, unpersönlicher, amüsanter, kurz: befriedigender nicht sein kann. Beide wirken frei und eigen besonders durch die häufigen Bemerkungen zur Seite. Sie verfolgen dasselbe Ziel, es geht allein darum, es ohne Demütigung zu erreichen. Sie tauschen Phrasen und beweisen sich die Kenntnis und wechselseitige Beherrschung desselben Codes - die vergleichsweise persönlicheren Wendungen tauschen sie gerade nicht, die stehen da sè (weshalb es schließlich ein Zeichen gesteigerter Lust ist, wenn eine Metapher des amoureusen Codes den persönlichen Vorbehalt erobert: vesuvio). Der Kontrast zu einer nüchterneren Sprache, die beide sonst sprechen, holt, was wir humorlos als theatralische Steigerung begriffen hätten, in die kommunikative Ebene zurück. Dorabella und Guglielmo genießen ihre Schlagfertigkeit im besonderen Code und lernen ihr stets glücklich reagierendes Gegenüber schätzen.
Solch ideale Kommunikation ist gleichzeitig banal. Zwei, die nur das eine wollen, machen es sich nicht allzu schwer. Vor dem Stumpfsinn rettet sie und uns ihr Witz allein.





II/6


In ihrem seriöseren Ton scheint die Kommunikation des zweiten Paares zuerst ähnlich glücklich wie im ersten Duett. Es ist derselbe amoureuse Code, nur ohne den Hauch einer abstandhaltenden Ironie. So ist die Anzüglichkeit des Textes (sie ist uns wie das Theater beinahe abhanden gekommen) durchaus unfreiwillig, und dazu nur ein Moment, die Fallhöhe der Komik anzudeuten. Der kalauernde Reim

Fio. Un idra, un basilisco!
Ferr. Ah crudel, ti capisco!

ist sogar deutlicher. Auch muß die Korrektheit der amoureusen Rethorik komisch wirken, eben weil sie ohne die beiderseitige, einverständige Ironie des anderen Duetts nur mit ihrem leidenschaftlichen Ernst auskommen will. Eine Verführungsszene im seriösen Geschmack. Im Moment aber, da Fiordiligi einlenkt und nachgibt, steigt Ferrando aus.






Nr 24 Arie Ferrando

Diese Arie konnte schon Mozart streichen, ohne dem Verlauf Abruch zu tun, denn dramatisch entscheidend ist allein der Abgang Ferrandos; darum ist es doch um die Arie schade. Ihr Witz besteht darin, daß sie selbst die komische Katastrophe der Kommunikation ist. Ferrando verfolgt die fliehende Fiordiligi bis sie nachgibt. Daß er jetzt in seine Arie ausbricht, ist ein bezeichnender Bruch der Konventionen, der des erotischen Codes wie der des Theaters. Die parallele Fügung der Paare hat durch das ganze Stück bis genau hierher geführt. Ihre Fortsetzung, das Liebesduett Fiordiligi/Ferrando ist verschoben. Der seufzenden Fiordiligi begegnet ein Gesang, der die Wünsche verflüchtigt, von denen er singt, lietissimo.
Daß die Arie mit voller Absicht komisch nudelt, ist nicht zu beweisen, auch wenn bei Wiedereintritt des Themas die Klarinetten uns mit der Nase darauf zu stoßen scheinen. Takt 52 aber versetzt es der Musik einen Stich, eine harmonische Trübung, eine Spitze der Bläser. Die wird erinnert, wenn 40 Takte später unter der gleichen Figur Fiordiligis Fluchtgebärde offensichtlich wird. Denn hier endlich reagiert Ferrando: Ma tu fuggi...". Beim ersten Mal irritierte ganz dieselbe Geste seinen Gesang, Fiordiligi macht Zeichen, aber Ferrando hat gerade mit der variierenden Wiederholung der Abschnitte angefangen, 40 lange Takte, dann ist die Kommunikation gestört genug für ein systematisches Mißverständnis. Ferrando nimmt Fiordiligis Fluchtgeste, endlich bemerkt er sie, nicht zum Anlaß, sie erneut zu verfolgen, sondern sie ganz fahren zu lassen, in einer Sängerpose schmerzlichen Verzichts. Das Schlussallegro verliert endgültig die Balance, die eine kommunikativere Reaktion Ferrandos hätte retten können. Dem Themenkopf ist die Fortsetzung abgeschnitten, Ferrandos Gesang wird leer. Die Wiederholungen der Schlussformel streifen das Wagnis häßlicher Musik. Auflösung der Kommunikation: die Arie eine narzistische Falle, Ferrandos Gesang eine Flucht in immer unwegsameres Gelände.

Zum Abspielen dieses Klangschnipsels (nicht wichtig) brauchen Sie den Macromedia Flash player.

Die Arie ist schwierig und undankbar, chancenlos ist sie nicht. Da Pontes Text löst sich in perfekter Phrasierung von Herz und Schmerz Reimereien beinahe in Musik auf. Er ist so vokal und glatt wie nichts sonst. Ihn isoliert zu lesen, nuanciert unsere Vorstellung von Mozarts Absichten. Mozart muß ein gelassenes, ziemlich fixes parlando vorgeschwebt haben; es ist aber sehr schwer gut zu machen. Viele Sänger wirken am Schluss ziemlich mitgenommen. Mozart dreht ihnen den Hals um. Wenn aber ein ungewöhnlich leichter Tenor nirgends die Kontrolle verliert, kann er den Eindruck einer autistischen Panik soweit mildern, daß die Komik der Arie ihn nicht überrennt. Der dramatischen Situation, Abgangsarie im falschen Augenblick, bliebe ihre volle Bedeutung erhalten, aber die Freiheit des Schauspielers träte genau da hervor, wo sie am nötigsten gebraucht wird.




II/7




Rezitativ und Nr. 25 Rondo Fiordiligi

Die Frage, ob da Ponte Fiordiligis Rondo "parodistisch" konzipierte, führt nicht weit. Wäre alle Komik schon vertrieben, wenn da Ponte nicht parodierte, sondern "psychologisch höchst subtil" [ Kunze S. 512] zu Werke ginge, als sei das die fragliche Alternative?
In einem hysterischen Mißverständnis ist Ferrando abgegangen. Er hat Fiordiligi stehen gelassen. Als sie sich dessen bewußt wird, ruft sie ihm nach "senti!..."/ "höre!...", womit sie, auch ohne persönliche Ironie, ins Schwarze trifft. Nichts ist vergeblicher gefleht, Ferrando singt, er hört nicht. Sehr allmählich wird ihr das klar, ein verwunderter Leerlauf, "Er geht" - Pause - "höre!" - Pause -, dann tritt die Reaktion ein, "ah no:" usw.; so langsam, weil gezeigt werden soll, wie Fiordiligi der Erregung nachhängt. Das folgende ("mag er sich meinen Blicken entziehen" usw.) läßt keinen Zweifel daran, daß allein Ferrandos Abgang, nicht Fiordiligis "Flucht", die Verführung unterbrochen hat. Ferrandos vorhergehende Arie wird noch oft behandelt, als sei Fiordiligis Widerstand real. Und eine moralisierende Lesart ihrer Soloszene unterschlägt die psychologische Relativität der Werte. Die Szene demonstriert das Umschlagen erotischer Wünsche in eine moralische Wut, deren Durchsichtigkeit von dem Getöse der Bezichtigungen und ihrem rethorischen Schwung noch überboten wird. Um sich hier an Fiordiligis Moral gütlich zu tun, muß man die dramatische Entwicklung um ihr bestes bringen, und noch behaupten, Mozart lade dazu ein.
Die Hörner des Rondos! Kunze, den ihre sexuelle Bedeutung stört, verzieht keine Miene, wenn er gerade die Hörner mit dem erhabensten Salto seines Buches "die beständige Welt der idealen Liebesbeziehung" bedeuten läßt. Fiordiligi halte "Zwiesprache mit (...) jenem anderen, dem Wandel entrückten Bereich, nämlich mit dem der Gottheit und mit dem reinen Bild des Geliebten." Gardiner hat in einem Text zu seiner Einspielung einen Weg gefunden, eine ähnlich ideale Auffassung Fiordiligis mit der älteren Deutung der Hörner zu verknüpfen. Die Arie schildere "mit fast unerträglicher Schärfe die einsame Konfrontation einer menschlichen Seele mit einer Welt ohne Moral". Mozarts Hörner signalisierten mit ihrem "grausamen Hahnreigespött", daß Fiordiligi eben jetzt betrogen würde.
Eine menschliche Seele! - Welt ohne Moral! Das ist schlimm -. Wo die Hörner nicht länger erlauchte Dialoge mit einer erhabenen Seele fördern und unzweideutig für das Gegenteil genommen werden, vertreibt derselbe ideale Geschmack - eben jetzt! - die womöglich menschlichere Komik, die schon frei werden wollte.
Muß denn Fiordiligi das verstehen? Fiordiligi nicht, die Primadonna wohl. Wie zeigt die Primadonna ihren Abstand? Indem sie eine Ironie durchblicken läßt, wo Fiordiligi allzu sehr drückt? Das ist nicht nötig und nicht einmal in der Felsenarie, wo es weniger stört, besonders gut. Besser, indem sie sich mit Kunst verausgabt, als meinte sie's ernst wie Fiordiligi. Vielleicht aber hat Fiordiligi einen kleinen pathetischen Tick. Vielleicht versucht sie sich an primadonnesken Gesten auch hier. Einkehr, Reumut, zitternde Empfindsamkeit? Beide, Fiordiligi und Primadonna, genießen die leidenschaftliche Moral. Wie sollte die Primadonna in ihrer größten Soloszene die moralische Wut Fiordiligis nicht durch die Lust am Theater komisch steigern, wenn die Moral selbst zweideutig ist? Es ist erschütternd, wenn Fiordiligi piano vibrato "Ich brenne" flötet - und von angespanntester Komik, die nur die Intensität der Primadonna bannt, wenn unter der Heftigkeit ihres Brandes die tugendhafte Liebe wie ein Krümelchen verglüht und die stolzen Bestien der Unmoral schauerlich erleuchtet frei herumlaufen.
Das Unterwerfungspathos des Rondos ist alles andere als die sittliche Geste, für die sie gern genommen wird, schon weil nicht gleichgültig sein kann, wem sie gilt. Spätestens in diesem Punkt verzweifelt der sittliche Impuls. Das Bild Guglielmos taugt nicht zur Ikone, Fiordiligi hängt es in eine ganz ungegenständliche Höhe: erst ist es mit nichts als der Insinuation einer rethorischen Frage bezeichnet und am Schluss, offen komisch, als "Reinheit", das abstrakte Gegenteil für ahhh! den Schmutz, in dem sie wühlt. Es ist dies abstrakte Zuviel und seine Spiegelbildlichkeit, die ihren Anstalten zur Tugend die Substanz rauben. Ihre Tugend hat nichts Wirkliches, an dem sie festmachen könnte. Fiordiligis Guglielmo ist eine reine Projektion. Dazu ähnelt sie Ferrando, wenn man die himmlische Reinheit der Ikone mit seiner Dummheit überhaupt und seinem Abgang gerade eben in Verbindung bringt. Der Treue, die Fiordiligi aufbringen möchte, fehlt es an Kenntnissen. So bleibt sie im bloßen Pathos einer Geste hängen, die auf sie selbst zurückfällt.
In einer nicht komponierten (aber im ersten Libretto veröffentlichten) Schlusspassage des Rezitativs ergeht Fiordiligi sich im Vorgeschmack der Wut Guglielmos.
Dann folgt das "Per pietà": Fiordiligis Rondo imaginiert eine Bestrafung. Die Lust daran springt aus der Phantasie, Ferrando hätte sie nicht einfach stehen gelassen. Ihr Text wäre derselbe, wenn sie wirklich um Verzeihung zu bitten hätte. Sie übertreibt. Mit der Schuld steigert sie die Lust. Dem hoffnungsfrohen Impuls der Tugend werden die zweifelhaftesten Gründe untergeschoben. Fiordiligi führt vor, daß leidenschaftlich genossene Gewissensbisse keine Treue machen, schon gar nicht, wenn das schlechte Gewissen noch träumt.
Es ist Unsinn, aus ihr eine beethovensche Heroine zu modeln. Werte, die das Stück erst entwickelt, können nicht als pathetische Konvention und Edelkitsch immer schon zu hause sein. Seine moralische Demonstration ist klar. "Verzeih den Irrtum einer liebenden Seele." Noch immer ist Fiordiligis Liebe ein Attribut der Seele ohne Beziehung auf den Anderen. Dieses Stadium wird am besten dadurch bezeichnet, daß es den "Irrtum" (also die Schwäche für Ferrando) mit eben seiner Liebe erklärt. Von hier aus ist Treue eine leere Konvention. Fiordiligi erfährt keine Konfrontation mit einer "Welt ohne Moral". Ihr Problem ist eine Moral ohne Erfahrung.
Das Rondo unterscheidet sich immerhin von der grüneren Felsenarie in genau dem Maße, wie die Erfahrung zugenommen hat. Dem Begriff der Treue geht inzwischen die naive Selbstsicherheit der Ahnungslosen ab.





II/8


Die Dummheit Ferrandos war schon deutlich, als sie den Genuß des Lyrischen komisch beeinträchtigen konnte ("Un aura amorosa"), jetzt, wo sie das dramatische Gefüge ernsthaft stört, nimmt doch seine Feinfühligkeit für ihn ein. Er hat hier Guglielmo etwas voraus, das in den folgenden Szenen für ein Gleichgewicht der Niederlagen sorgt. Er erzählt seine Szene mit Fiordiligi, und schont zu gleichen Teilen sich und den Freund. Wir können spekulieren, ob wir es mit Sensibilität oder Begriffstutzigkeit zu tun haben, nichts ist dem Zustand Fiordiligis bei seiner Flucht unangemessener als seine Beschreibung:

"Mi discaccia superba,
Mi maltratta, mi fugge."

Sie jagt mich stolz davon,
Sie mißhandelt mich, sie flieht.

Das Gegenteil ist wahr, seine Arie und Fiordiligis anschließendes Rezitativ belegen das.
Guglielmo kennt solche Rücksicht nicht, weder mit Dorabella, noch gegen Ferrando. Wenn er begriffe, wie Ferrandos sensible Blödigkeit ihn schont, würde er vielleicht weniger brutal und genießerisch mit dem Bildchen auftrumpfen.





Nr 26: Guglielmos Arie

Guglielmo glaubt das Experiment für seinen Teil abgeschlossen, er hat es hinter sich, und zwar mit dem denkbar besten Ergebnis: Dorabella gehabt, Fiordiligi behalten, den Freund ausgestochen, Alfonso dupiert und 50 Zecchinen gewonnen. Der Druck fällt von ihm ab und er muß beträchtlich gewesen sein, denn das Bedürfnis, sich gehen zu lassen, ist dem gelösten Parlando seiner Arie und ihrem Impuls über die Rampe, heraus aus der Intrigen-Rolle, gut anzumerken. Er wird vertraulich mit den Damen im Publikum, protzt, charmiert, und macht ("halb Strafpredigt, halb Huldigung", Abert) die beklagte Sittenlosigkeit des schönen Geschlechts zum Kompliment für sich selbst, der er allein sie zu genießen und zügeln weiß. Schon Abert bemerkt, daß in der Voreiligkeit das Komische der Arie liegt. Und wirklich, die muß er büßen. Ferrando ist betrogen, aber er hat es nicht auch noch mitansehen müssen und wird sich mit seinem Erfolg bei Fiordiligi trösten. Guglielmo hatte den Spaß zuerst und muß nun zusehen, wie Fiordiligi ihn verrät. Das ist einigermaßen ungeil. Und auch für das Publikum eine irritierende Verschiebung des pornographischen Grundmusters. Der Türspaltenvoyeur, authentisch und durchsichtig besetzt mit Don Alfonso, dessen Geilheit naiv unsere eigene vermittelt, wird mit Guglielmo als zuschauendem Vierten im Spiegel der Erfahrung verdoppelt, und zwar nicht nur der leidvollen eben jetzt, sondern, subtiler, der seines eigenen untreuen Genusses.

Der spezielle Rapport zwischen Guglielmo und den Frauen war eine Illusion, die Arie eine unbarmherzige Prophezeiung, die als erstes Opfer den Propheten fordert. Und doch ist sie mehr als eine komische Option auf eine allzuwahrscheinliche Niederlage. Die Niederlage balanciert vielmehr, was wir bislang kaum gewürdigt haben, den Charme der Arie. Sie ist dankbar, nie gestrichen, Darstellern wie Publikum ein Fest. Und nicht, weil Guglielmo so auf die Nase fallen wird. Im Gegenteil forcieren wir den komischen Aspekt nur, weil er im Augenblick der Performance vor dem Übergewicht ganz anderer Eindrücke wach gehalten werden muß. Tatsächlich wächst Guglielmo hier die spielerische Beweglichkeit und eine das ganze Theater bannende Souveränität seines Rollenfaches zu, eine "persönliche" Bereicherung durch die Resourcen des Fachtypischen. Wenn wir an den steifen, ehrbewußten Offizier der ersten Szene zurückdenken, bemerken wir das Kalkül, mit dem die Autoren sich die Entwicklung ihres Protagonisten gesichert haben.





II/9





Rezitativ und Nr. 27, Kavatine Ferrando


Wenn je zu Recht von Experiment die Rede war, dann hier. Im Hintergrund unterhalten sich gedämpft Alfonso und Guglielmo (trügerisches Einvernehmen), vorn zappelt Ferrando. Es ist schrecklich und schrecklich komisch. Die peinigenste Entblößung offenbart eine Dummheit, die noch im Moment ihrer Selbstgewißheit nicht aufgehoben ist, im selben Augenblick überholt und neu offenbart. Nirgends geht eine Figur sich selbst so an die Substanz, ein unendlicher Sturz auf der Stelle. Doch das Theater befreit Ferrando (und uns). Denn das Moment der Erkenntnis ("mia stupidezza!") teilt eine Distanz, die real nur der Darsteller zu seiner Rolle hat, der Rolle selber mit. Im Augenblick ihrer intensivsten Wirkung - ein begabter Darsteller kann uns hier erschüttern, daß wir Schrecken und Gelächter nicht mehr auseinanderhalten - gewinnt in komischer Distanz der prim'uomo Kontur. Das ist Ferrandos Rettung, wie die Primadonna die der Damen. Er mag weiter beschränkt und lyrisch sein, hier in der neunten Szene hat er etwas Unverlierbares gewonnen. Wenn er das nächste Mal die Bühne betritt, stürmt er Fiordiligi, und zwar nicht, indem er seine Rolle "persönlich" bricht, ein rührendes Individuum, sondern indem er den seriösen Helden ärger mimt als je zuvor. Dieser Durchbruch zur Rolle löst eine Dummheit auf, die dieselbe Rolle vorschreibt. So wird in einem bestimmten Sinne jenseits der Tautologien wirklich das Theater selber zur Botschaft.

Für eine überzeugende Auffassung des Finales ist es wichtig, die Momente, mit denen das Stück seiner Intrige den Rückweg vorwärts offenhält, nicht um einer Feuilletonkatastrophe willen zu unterschlagen. Die neuen Lieben verdrängen keineswegs die alten. Die Helden erleben einen neuen und irritierenden Doppelbezug ihrer Leidenschaft. Dorabellas Betrug läßt Ferrando im Moment keine Wahl, er "hört die Stimmen der Liebe" für sie sprechen. Dies Moment der Unfreiheit ist es, das Alfonso "grausam" aufs Korn nimmt, wenn er es Treue schimpft. Komisch wird Ferrandos Kavatine dadurch, daß er sich nicht der Zwangsläufigkeit bewußt ist, mit der er Dorabella "liebt", gerade weil sie ihn betrogen hat. Wegen dieser Unfreiheit wird hier wirklich etwas von einer Mechanik der Liebe sichtbar. Komisch ist auch, wie Empfindungen für Fiordiligi im Moment ganz ausgeblendet sind. Und wiederkehren in einen Doppelbezug des "Herzens": unmittelbar vorher im Rezitativ redet er von seinem eigenen (wenn auch fremdelnd abgerückten): "questo cor per lei mi parla", was eine hübsche Pointe macht wenn er jetzt in der Kavatine mit scheinbar unveränderter Distanz vom treulosen Herz spricht, das ihn verraten habe ... "Tradito ... dal perfido cor."

Die Kavatine geht unter der komisch unbewußten Mechanik der Liebe einem Geheimnis nach. Mitten in der plausibelsten Abhängigkeit solcher Liebesempfindungen keimt die Erkenntnis, halb in Ferrando, halb im Publikum selbst. Gerade wenn wir die Mechanik bemerken, erfahren wir, was Freiheit wäre. Unterstützt wird diese zarte Regung des Bewußtseins von einer zweiten (durch die Konvention nur halb gedeckten) Auffälligkeit. Sogar für den seriösen Tenor, sogar für einen besonders beschränkten tut die fremdelnde Objektivität der eigenen Seele (Quest' alma) ein wenig zuviel des Guten, wir merken eine Distanz, ob real, ob verzweifelt provoziert, und damit das nicht in der Konvention reinweg untergeht, verdoppelt sich dieser Eindruck durch die Stimme der Liebe, die Ich reden hört, als sei es eines anderen Stimme.

Der Gesang überschreitet den Körper des Sängers, der vor-gestellte, schöne Ton ist innen und aussen. Die Katastrophe des Sängers ist das Sich-fest-Singen, der Raum schnürt zu, der Ton klebt in der Kehle. Der hingebungsvolle Gesang ist das Produkt einer glücklichen Distanzierung, deren buchstäbliche räumliche Sensation sich wiederholt in einer intellektuellen Distanz gleich der des Schauspielers zur Rolle. Wir verpassen das Beste, wenn uns bei dem Gedanken an solche Distanzen gleich fröstelt und das Gemütliche abgeht. Ferandos Arien sind immer kurz davor, sich selbst zu durchschauen. Beinahe ohne den Protagonisten zu erhellen, springt das Singen etwas aus der Selbstverständlichkeit und wird bezeichnend. Daß Ferrando singt, gehörte ins Rollenverzeichnis. Seine Flucht in den Gesang vor Fiordiligis unmißverständlichen Seufzern produziert nicht umsonst eine Arie (Nr 24), bei der ihre Sänger mehr als irgendwo sonst Gefahr laufen, sich festzusingen.
Umgekehrt aber stellt diese Gefahr hohe Ansprüche, und die Möglichkeit ihrer bewußten Überwindung ist ein steter Reflex auf die komische Idiotie. Genau dieser Kontrast ist in "Tradito schernito" scharf gemacht: Die Reibung zwischen einem unbegriffenen Widerstreit der Gefühle (ihre harte Opposition) und ihrer souveränen Affektgestik im hingebungsvollen Gesang des seriösen Tenors.




II/10

Fiordiligi gesteht, was sie für ihre neue Liebe hält. Ihre Frage -

Non pensi agli infelici
che stamane partir? Ai loro pianti,
Alla lor fedeltà tu piu non pensi?
[Denkst Du nicht an die Unglücklichen,
die heute morgen abgereist sind? An ihre Tränen,
ihre Treue denkst Du nicht mehr?]

- ist der erste Reflex von Vergangenheit überhaupt - einer von dreien im ganzen Stück (hier, Kanon und Finale). Ein Schritt zur Treue, nicht diese selbst. Darum macht die Szene das Haltlose der eher sentimentalen als moralischen Regung deutlich. Dorabellas Berechnung verletzt ein unklares Gefühl Fiordiligis, nicht eine moralische Gewißheit, der die Frage nach der unliebsamen Rückkehr der alten Liebhaber gar nicht einfiele. Es ist Fiordiligi alles nicht recht begreiflich - und es hieße die Autoren mißverstehen, wenn die fixe Erklärung Dorabellas für bare Münze genommen würde: Siam Donne. / Wir sind Frauen.
Denn die Frivolität Dorabellas ist noch ein bißchen grün. Das verrät sich an dem Eifer, der Despinas Lehren vorträgt, als seien sie das längst Bekannte. Davon hebt sich eine ironische Zweideutigkeit der Darstellerin ab. Sie führt, ohne aus der Rolle zu fallen, die Not vor, mit der Dorabella so altklug Bescheid gibt. Dorabella will sich jetzt keine Gedanken machen, Fiordiligi will, aber es wäre gegen die Spielregeln, wenn dabei mehr herauskäme als die Mantel-und-Degen-Groteske.
Die Lust, die den vormoralischen Impuls zum Liebesduett treibt, legitimiert sich durch die List der Moral, eben im Treuebruch zu gründen. Diese Konstruktion der Moral überzeugt durch das hohe Maß subversiven Widerspruches, das sie freisetzt, aushält, bindet. Der frühen Rezeption schon war eine Treue aus freien Stücken nichts als eine frivole Zumutung. Zugleich mit der getilgten Subversion ging die Moral unter. Wer sie heute wiederhaben will, geht fehl, wenn er nach Erhabenheit und Seelengröße sucht.




Nr. 28 Arie Dorabella

Wie sehr angemessen ist diese Arie ihrer Protagonistin, besonders wenn wir uns an Dorabellas ersten Versuch im falschen Fach erinnern! Schlager statt Wahnsinnsarie, der Wechsel tat not; einem Gesetz des Stückes zufolge durchläuft auch sie wie alle anderen ihre Entwicklung auf den Kern ihres Rollenfaches zu, statt, wie es die Vorstellung bürgerlicher Individuation erwarten ließ, von diesem fort. Die Komik (und übrigens die Lebensähnlichkeit) will, daß die Soli dieser Phase nicht am idealen Ende solchen Fortschritts, in abgeklärter Reife, ankommen. Aber der komische Überschuss bremst die Entwicklung nirgends aus, die Ironie in Guglielmos "Donne mie" - Arie z.B. macht den "persönlichen" Gewinn nicht zunichte, Fiordiligis Rondo deutet durchaus nach vorn, ein Versprechen, das durch seine Haltlosigkeit nicht weniger anrührend wird, und wenn ich den komischen Aspekt betont habe, dann, weil es darauf ankam, die humorlose Voreiligkeit zu bremsen.





II/11-12


Fiordiligis Verkleidung beginnt damit, daß sie eine andere ablegt. Sie entfernt, was ihr im Haar steckt. Das hatte sie vom Frühstücksauftritt noch übrig, oder neu arrangiert zum zweiten Akt. Jetzt stört es, weil sie den Hut aufsetzen will. Ihrem theatralischen Ingenium läßt sie eine verpasste Gelegenheit nicht nachsagen. "Geh zur Hölle, unseliger Schmuck, ich verabscheue dich!" Das ist nicht einfach Theater, sondern seine Kopie: Sie duzt ihr Diadem.
Einen Augenblick steht sie ohne alles da. Die ideale Inszenierung läßt Fiordiligi mit dem Putz ein überraschend wesentliches Moment der Maske ablegen, gerade so, daß wir sie auf halbem Wege aus der Rolle sehen. Eine Andeutung der Zurichtungen, die es unter dem Bühnenkostüm braucht, reichte aus, das Vakuum fühlen zu lassen, das den Einwurf Guglielmos provoziert.

Si può dar un amore simile a questo? [Kann es eine Liebe so wie diese geben?]

Ob Guglielmo soviel Abstand hat, daß er sich lustig macht, oder eher dümmlich staunt und prahlt, beides ist komisch. Sobald man seine Frage ernstlich stellt, sind die Antworten ja und nein gleich albern. Außerdem ist offensichtlich, daß Fiordiligis Anstalten mehr auf die neue Liebe als die alte weisen. Entscheidend ist, daß der Moment des Vakuums die Äußerung provoziert. Im Theater, wo die Rolle als solche selbstverständlich ist, empfindet man das Prekäre des Überganges. Fiordiligi zwischen den Kostümen: das wird uns nicht umsonst auf offener Bühne vorgeführt. Wir sehen einen Moment lang, was es hier sonst nicht zu sehen gibt: Natur. Sie ist ein peinlicher Mangel, schleunigst zu beseitigen, wenn er sich zeigt. Ein Hut tut's. "Wie ich mich selber kaum wiedererkenne!" Die Ironie will, daß ihre neue Verkleidung sie die Abhängigkeit des Ich vom Make Up erraten läßt. Verkleidung ist aber ein Mittel der Untreue. Mit ihrem Garderobendramolett kehrt Fiordiligi den sündigen Impuls nicht um, sie verstärkt ihn.
Auf halbem Weg in Ferrandos Uniform phantasiert sie von "Umarmungen". Die Hürden räumt sie flugs aus dem Weg; es wird (gegen jede Wahrscheinlichkeit) "in wenigen Augenblicken" sein, und der (gegen Despinas Prognosen) "treue Bräutigam" wird sich freuen, sie zu erkennen. Nicht einmal jetzt nennt sie Guglielmos Namen. "Der Bräutigam", und "treu", damit sie die eigene Schuld recht empfinde. Da Ponte tut alles, die Zweideutigkeit ihrer Regung zu befördern. Hat sie nicht schon sechs Postpferde bestellt um einem Verlobten hinterherzujagen, der zu Schiff unterwegs ist? An ihren Anstalten zur Treue ist nicht das bißchen Ernst. Mit etwas weniger Aufregung hätte sie den amourösen Attacken bisher problemlos standgehalten, - eine Behauptung übrigens, die die wesentliche Anlage der erotischen Entwicklung des Stückes übersieht: die Frauen kommen der Intrige in einer Weise entgegen, die diese aus den Angeln hebt, Fiordiligis Verehrer läuft noch weg, wenn sie ihn (und sich selbst) beinahe so weit hat. Was hält sie denn ab, kühl zu bleiben, nein zu sagen? Ein grausames Experiment? Ferrandos überwältigender Charme? Zum "Opfer" wird sie durch Autoren, die sich ihrer gern erbarmen möchten.

Ferrandos Auftritt ist doppelt vorbereitet. Kurzfristig mit Fiordiligis Überlegung, zu welchen Kühnheiten ihn ein hinterbrachtes Geständnis ihrer Liebe bringen möge, ein langwelliger Reflex schlägt mit dem Schrecken der Vergiftungsszene (I,15) an. Jede gute Inszenierung befördert die Ironie der Leidenschaft im Gesetz der Wiederholung. Auch Mozart verliert sie nicht aus dem Blick. Er verteilt den Text vor den letzten gemeinsamen Seufzern so, daß Ferrando auch jetzt noch und wieder zu spät ist. Fiordiligi räumt ihm schon den Sieg ein - "Crudel, hai vinto" -, da fordert er sie noch auf, nicht länger zu zögern. Das ist entweder der Selbstlauf einer desinteressierten Komposition oder ein Beleg für komischen Überfluss auf Seiten Mozarts, Sie wählen.





II/13

Guglielmo tobt. Sieger Alfonso, vertraulich mit dem Publikum, entschuldigt ihn. Auch Ferrando hat gewonnen, im Augenblick. Er zahlt Guglielmo heim. Es war von dem seriösen Kummer Ferrandos zu der ungebärdigen Wut Guglielmos ein ziemliches Stück Weg. Alfonso, auf der Höhe, beweist, daß er es nicht böse meint. Er schlägt Heirat vor, und die ganze Szene ist eine Demonstration seines Geschicks. Nicht nur verzichtet er darauf, die Herren zu demütigen, er läßt sie sich den Damen überlegen fühlen und redet ihnen jede Rache aus, indem er vorgibt, auf gerade diese beiden - er insinuiert: ganz wie die Herren - eigentlich große Stücke zu halten. ("Wenn sogar diese beiden so etwas taten"...) Er macht ihr Vergehen klein mit einem Wortspiel, bei dem ein italienisches Publikum auch heute unwillkürlich lacht (cornacchie spennachiate). Die Verknüpfung von Liebe und zerzausten Krähen ist wirkungsvoll genug, um die Herren milde zu stimmen. Schließlich setzt er die Autorität des bestätigten Siegers ein, ultimativ und unter der zutreffenden Hypothese, daß Ferrando und Guglielmo am liebsten gehorchen. Erst ganz am Schluss des Rezitativs gönnt er sich das letzte Wort: imparate, die Lektion. Triumph des Schulmeisters und doch so angebracht, daß er die Schüler nicht beleidigt. Bei Abert liest man von dem selbstgerechten, gespreizten und dabei trockenen Deklamieren der Gesangsnummern Alfonsos. Es ist tatsächlich ein Leichtes, Alfonsos hier schlechtzumachen mit dem Gegensatz zur "blühenden Melodik" des vorhergehenden Duetts. Aber, so nahe komische Überheblichkeit der Darstellung auch liegt, so verkehrt wäre es wohl, sie gerade jetzt herauszukehren. Denn die rethorische Beherrschung der Situation - und zwar zum guten Ende - wiegt seine Selbstgefälligkeit mehr als auf. Das grobe Auskosten seines Triumphs ist Alfonsos Sache nicht, Inszenierungen, die ihn so platt als möglich poltern lassen, bedienen ein Klischee, das da Ponte gerade meidet. Schreiben Sie Alfonso einen Text, der dem Wunsch nach hochschießender Rechthaberei und triumphaler Demütigung nur etwas mehr entgegenkäme als das Original da Pontes, und Sie ermessen, wie wenig an einer Karikatur gelegen war. Sie hätte erstens das Finale gefährdet und liegt außerdem weit von den Absichten, die da Ponte mit dieser Figur selbst hatte, die ohne Veränderung durch das Geschehen doch in Bewegung ist: eine leichte Drehung durch das Stück ins Licht des Finales.
Alfonsos Kernweisheit ist gut zugeschnitten auf die Bedürfnisse der angeschlagenen Herren. Sie hat einen regressiven Sog, dem das männliche Publikum jedenfalls kaum widersteht. Mehr ist auch nicht dran. Der offensichtliche Genuß kommt eben aus der Regression, die keine wäre, wenn hier so und so weit ausdifferenzierten Thesen zum Geschlechterverhältnis im Östereich des ausgehenden 18. Jahrhunderts nachzuforschen wäre. Es führt in die falsche Richtung, auf der "necessità del core" wie auf einem Terminus herumzureiten. Das Stück ist komplexer als Alfonsos "Philosophie". Er hat die Genugtuung, daß seine strittige Behauptung im Café (tatsächlich hören wir sie jetzt zum ersten Mal) den Herren Offizieren inzwischen befriedigend einleuchtet. Die Gewißheit des Bestrittenen ist ein wahrer Trost, wenn es ihnen zugleich Genugtuung verschafft. Beleidigt waren mit den Bräuten ja Guglielmo und Ferrando. Das rethorische Geschick Alfonsos entschädigt sie mit dem genußvollen Abgrölen der Herrenweisheit. Wir bekommen die Kunst Alfonsos nicht darum so haarklein serviert, damit wir uns über den Wert solcher Weisheit lange den Kopf zerbrechen. (Z.B. grübeln (mit Kunze etwa), ob nicht hier eine dem modernen Publikum unzumutbare, historisch sicher unumgängliche Frauenfeindlichkeit der Autoren sich niederschlägt; oder (mit Hildesheimer), ob nicht Konstanze mit Süßmayr ... )
Übrigens könnte Alfonso sein Experiment genau hier abbrechen; kassieren und die anderen sich selbst überlassen. Eine Inszenierung, die sein weiteres Engagement als die bloße Konvention vorführt, der auch der Finstermann gehorcht, verpasst das Beste.

Zuletzt soll ein aufschlussreiches Detail zu seinem Recht kommen: der komische Überschwang der Herren bei der Aufzählung der vorzuziehenden Bräute. Lieber heirateten sie:

La barca di Caronte!
La grotta di Vulcano.
La porta dell'inferno.

Es ist wichtig, diesen seltenen Moment männlicher Souveränität (eine Kongruenz von souveränem Darsteller und Rolle) nicht untergehen zu lassen. Es kündigt sich hier, ausgelöst von Alfonsos Vorschlag, zu heiraten, die Freiheit an, zu der das Stück die Herren im Finale bringt. Die Wette ist verloren, was bleibt, ist ein reines Vergnügen. Sie mußten sich auf das Theater einlassen, um den Frauen zu begegnen, ein Abenteuer, la grotta di Vulcano, la porta dell'inferno, nun spielen sie es souverän zum Ende durch, um sie, zivil und ein Küchenfeuer: zu heiraten. Wie im Brennglas sind hier Tod Chaos Eros, die Wut über die Untreue, aber auch der komische Reflex auf die Lust der Intrige, eine eben erworbene Ironie und die Freiheit zu einer möglichen Moral gebündelt. Je klarer die Herren hier komisch sind, desto besser.





II/14

Das erste Mittel des Theaters, die Verkleidung, leuchtet unmittelbar ein. Auch wo man an die Plausibilität der Handlung Ansprüche macht, fällt eine Unwahrscheinlichkeit allein darum nicht auf, weil die Komödie es immer so macht: Despinas Verkleidung zum Notar. Sie ist nicht eingeweiht, sie glaubt eine reale Doppelhochzeit vorzubereiten, warum also sollte sie einen Notar bloß mimen? Wir müssen, wenn wir wahrscheinlich sein wollen, annehmen, Alfonso dränge ihr das auf, und verstehen dennoch nicht, wie sie sich darauf einlassen könnte, ohne zu stutzen. Despinas Verkleidung scheint wahrer als die Wahrscheinlichkeit.

Übrigens ist die Unbekümmertheit in diesem Punkt bei Mozart größer als bei da Ponte. In Szene 15 singt Despina sottovoce aber per diverse porte mit Alfonso
La piu bella commediola
Non s'è vista o si vedrà!
Es gibt logisch keinen Grund, warum Despina hier von Kommödchen reden sollte, außer es sei, da sie später den Notar macht, gleich alles egal. Eben das muß Mozart gedacht haben. Da Ponte hatte es darauf angelegt, die Klippe zu meiden, bis die Evidenz der Verkleidung sie schleift. Im Libretto der UA heißt es:
Una scena più piacevole
Non s'è vista o si vedrà!
Eine gefällige Szene versprechen beide, Despina und Alfonso, mit gleichem Recht. Da Pontes Version ist offener, Alfonsos Ironie schärfer, ohne darum Despina in Mitleidenschaft zu ziehen.





II/15

Despina kommandiert die Vorbereitungen. Ihre Leute werden zu "cari amici"; so redet die Herrschaft, wenn auch von gleich zu gleich. Die Chorversion der Diener und Musiker rutscht durch die Wiederholung des " o cari amici" in eine ironische Prätention. Sie machen Faxen. Alfonso dämpft mit herrschaftlicher Herablassung: Bravo, bravo, doppelt Trinkgeld. Eine routinierte Anmaßung: andere zahlen. Im Gestus kongruieren der professionelle (schäbige) Impressario und der unabhängige, nicht arbeitende Adelige. Die Szene fängt das falsche Fest von der Routine der unteren Stände her an. Das wird oft übersehen. Man weiß nicht mehr recht, was damit anfangen, wir bekommen gemütliche Leutchen zu sehen, frohes Volk und alte Bräuche, wie stockfleckige Kulissen.
Auch im Hochzeitschor der nächsten Szene geht die rustikal verkleidete Subversion meist völlig unter.



II/16


Noch die letzte "neue wortgetreue deutsche Übersetzung" unterschlägt die pitturesken und anzüglichen Hennen des Originals.Koelling Bambini


Benedetti i doppi coniugi
E le amabile sposine!
Splenda lor il ciel benefico,
Ed a guisa di galline
Sien di figli ognor prolifiche
Che le agguaglino in belta.

Gesegnet seien die beiden Gatten
und die liebenswürdigen Bräute!
Der Himmel sei ihnen gnädig,
und wie bei den Hennen
seien zahlreich die Kinder,
an Schönheit ihnen gleich.


Die Damen den Hennen verglichen und die Kinder schön wie sie... Mozart fängt sich mit der durchtriebenen Komposition der zweiten Zeile vom anzüglichen Ton seinen Teil, die Folklore hat einen Stich.
Die Bosheit kommt devot und traditionsselig daher. Da Pontes Text für das reagierende Quartett ist beispielhaft offen. Von naiver Rührung, ironischem Amusement, bis zu zuckriger Gereiztheit oder zähneknirschender Wut hielte er alles aus. Eindeutigkeit der Gesten wäre Armut. Eine Verteilung nach dem Schema: ironisch die Herren, die Damen naiv, unterstellt, daß den Damen die Impertinenz der Dienstboten entgeht. Warum sollte sie? Im Gegenteil bereitet eine etwas schiefe Situation, wo der "süße Gesang" der Chargen irritiert, den Boden für die Peinlichkeiten, die noch folgen sollen.
Im Tischgeplauder mit Trinkspruch ist ein dramaturgisches Manöver angelegt, das die Szene unschätzbar macht. Die Konversation erzeugt einen peinlichen Mangel, bis Fiordiligi in den Kanon ausbricht.
Allein von der Musik her aufgefasst, müsste die Szene ihre wesentliche Bewegung einbüßen, denn das Abwesende und Untertönige muß sich, wollen wir es musikalisch registrieren, mit ungleich groberen Mitteln anmelden als im Text. Der bewerkstelligt den Eindruck eines Mangels ähnlich wie bei der Aufzählung der Treuegründe in der Kaffeehausszene des ersten Aktes. Die Treue, die die Offiziere zu beweisen suchten, verschwand umso vollständiger, je weiter sie auf der Bahn ihrer immer kurzlebigeren Argumente voranstolperten. Alfonso landete schließlich höhnisch bei Seufzern und Ohnmachten, "verzeiht das ich lache". -
Auch vor dem Kanon treibt der Dialog auf der äußersten Oberfläche des Augenblicks.



Sei pur bella!
Sei pur vago!
Che bei rai!
Che bella bocca!
Tocca e bevi
Bevi e tocca!

Wie bist du schön!
Wie bist du hübsch!
Was für schöne Augen!
Was für ein schöner Mund!
Stoß an und trink!
Trink und stoß an!


Während "alles hier Freude und Liebe verspricht" meldet sich unter den Phrasen der forcierten Gegenwart ein peinliches Bewußtsein, die bloße Differenz genügt. Darum geht die Konversation so daneben, albern und undenkbar, besonders am Hochzeitsbankett. Etwas fehlt.
Bei Abert spielt noch Folklore. Er sentimentalisiert den kruden Dialog in eine brauchtumsmäßige Ursprünglichkeit. Das Ganze sei "ersichtlich nach dem damaligen Leben gezeichnet". Dabei ist die nervöse Spannung der Szene auch in der psychologischen Simulation plausibel. Die Paare kennen sich kaum und sollen: heiraten, hier und jetzt. Es kann nicht schaden, wenn man es sich einen Moment in aller Wirklichkeit vorstellt.


E nel tuo, nel mio bicchiero
Si somerga ogni pensiero.
E non resti più memoria
Del passato ai nostri cor.

Und in deinen wie meinem Glas
versinke jeder Gedanke.
Und es bleibe keine Erinnerung
an die Vergangenheit in unseren Herzen.
.


Der Kanon endlich offenbart (und versenkt), was fehlt und quält. Während "in unseren Herzen keine Erinnerung an die Vergangenheit bleiben soll" eröffnet ex negativo eben der wehmütige Verrat die Vergangenheit selber; ein blindes Fenster aber die entscheidende neue Dimension. Bis hierher ist Treue ein äußeres Gebot und kein Gedanke. Das ist in einem Augenblick anders.
Der Text, sagt Kunze, rede nur von Auflösung des Gedächtnisses, die Lösung übertrage Mozart der Musik: "Vergessen und doch Eingedenksein": "Was ist schon der Kanon anderes als strengste Treue zum Thema". [ Kunze S. 477] Ohne den Text aber schlössen wir kaum von der musikalischen Struktur auf die Moral - am wenigsten bei einem Kanon, obwohl Kunzes Analogie so blendet, daß man sich fragt, wieso die klassische Sau so gern im Kanon grunzt. Mozart hat den Text des Trinkspruches ein zweites Mal komponiert, nicht kanonisch und kürzer, es ist unklar, ob für eine bestimmte Gelegenheit oder für alle Zukunft. [ Tyson] Sicher aber funktioniert die Szene auch in der Revision. Ihre dramatische Substanz liegt nicht bei der Komposition.
Den Funken der Treue aus ihrem Bruch geschlagen: eine zukunftsträchtige Eröffnung, im Finale das mögliche Glück (nicht mehr, nicht weniger). Darum muß eine Auffassung, die die strikte Gegenwärtigkeit des Stückes unterläuft, die Hauptsache verpassen. Der Blitz, der in die reine Präsenz einschlägt, das Außerordentliche der Bankettszene, kann, wo immer schon persönlicher Hintergrund und Zeitraum simuliert werden, nicht verstanden werden. Das Stück tritt auf der Stelle mit einer Treue ohne Entwicklung, ein fixer Begriff, wie der Auszug aus dem Ehrenkodex Guglielmos. Dessen Part im Kanon ist gerade so zwiespältig wie der der anderen, nur umgekehrt. Von der paradoxen Erfahrung der Treue ausgeschlossen wird er auch weiterhin nur seine Ehre parat haben.
Es ist müßig, der Behauptung, der Kanon spiele ins Komische, allzu leidenschaftlich zu begegnen. Die Geburt der Treue aus der Vergewisserung ihres Bruches; das ist die Ironie des Verfahrens (nicht nur im Theater), und das bleibt schmerzlich und komisch, auch wenn es so selig daherkommt.
Beim ersten Mal, als eine Erinnerung gegenwärtig wurde - Fiordiligis Frage, ob die Schwester nicht an die Unglücklichen denke - fehlte zur Vergangenheit eben der Verrat. Die Offiziere waren nicht vergangen, sondern präsent. Im Finale trifft endlich alles zusammen: Die neuen Liebhaber waren - nur vertauscht...- die alten, und das Versprechen der Treue wird vor allem darum plausibel, weil sie mit dem Stück möglich geworden ist.





II/17

Wer im Kanon allzu selig weggedämmert ist, den muß die Fortsetzung blenden wie grelles Licht. Auch Kunze behandelt sie als einen unliebsamen Schnitt von "erfüllter Innerlichkeit" zur "bloßen äußeren Handlung": "Umso fühlbarer ist die Rückkehr auf den Boden der Realität (...). Der ungewöhnliche Übergang von As-dur nach E-dur (...) spricht für sich."
Ich empfinde die harmonische Bewegung als ein Auf- und Ausatmen: freiere Luft. Tatsächlich schreibt Mozart eine harmonische Öffnung. Und nicht zum "Boden der Realität". Wo sollte der sein, hier im Theater? Wirklich, wir landen mit einem kleinen Ruck - im Theater. Ansage des Managers, komische Nummer. Despinas zweiter Auftritt, noch offensichtlicher theatralisch und überschwänglicher als der medizinische. Ein Notar, der sich in der dritten Person über sich selbst lustig macht: das ist ja kaum noch Theater, das ist Karneval. Ihr Spiel, ohne irgendwelche Anstalten zur Glaubwürdigkeit, könnte unbekümmerter nicht sein. Es soll auffallen, daß die Damen, warum immer, die plumpeste Fälschung nicht durchschauen. Heraus springt wie bei Despinas medizinischer Jahrmarktsvorstellung eine von souveränen Schauspielerinnen forcierte Blödheit und Unzurechnungsfähigkeit der Damen, man kann sie mit der Nase drauf stoßen, ohne daß sie begriffen. Zum ersten mal hören wir die Namen der Albaner, Tizio und Sempronio, das entspricht dem deutschen: Hinz und Kunz. Auch das ist den Schwestern noch nicht zu viel. Sie glauben, sie vertrauen, sie unterschreiben. Einen Ehevertrag.
Gerade Unwahrscheinlichkeit und Frivolität sichern auch der schlichtesten Moral zum guten Ende ihr Teil. Eine weniger karnevaleske Hochzeit wäre weniger leicht zu lösen. Das Finale (und also das Stück) erscheinen wie in einer Bearbeitung, wenn der Notarsklamauk ignoriert und (nach dem Trommelwirbel der Rückkehr) die Katastrophe ins Wahrhaftige strapaziert wird.
Die originale Szene muß unmittelbar erschrecken und zugleich mit theatralischer Rücksicht unterfüttert sein. Es hilft nichts, die Katastrophe dick aufzutragen, um die Klamotte auszuschalten. Schon Abert (der noch weiß, daß er es mit einer Komödie zu tun hat) will die Katastrophe gefühlsecht und bemäkelt die "zopfige" Sprache da Pontes. Nun ist Così ja keine Klamotte, nicht einmal wenn eine Inszenierung, in dem begreiflichen Bemühen, die schon abgestandene Weihe des Ernstfalls wieder loszuwerden, sich so plump als möglich anstellte. Die abgegriffene Opernsprache läuft eben nicht als bloße Routine. Da Ponte setzt gezielt einen abrupten Wechsel der Tonlagen ein.

Barbare stelle!
In tal momento
che si farà?

Die Frage hält eine Antwort schon bereit. Wer stets im prekären Moment soviel Abstand wahrt, daß er sich fragt: Grausame Sterne! was ist in einem solchen Augenblick zu tun? der ist dem Augenblick gewachsen. Wer diesen Abstand nutzt, um im nächsten Moment die wirklich praktische Antwort auf das konkrete Problem zu präsentieren und zwar ohne hochsprachliche Verzögerung

Presto partite
Presto fuggite
Là là celatevi
Per carità!

der beweist Überblick auch in der Not. In solchen Momenten springt ins Auge, wie die Souveränität der Schauspielerin sich der Rolle mitteilt, oder umgekehrt die simulierte Persönlichkeit an die Freiheit des Spiels reicht.
Diese Freiheit geht verloren, wenn die Aufregung der Damen mit einer (schrecklich trüben) Wahrscheinlichkeitsrechnung auf den Ernstfall aufpoliert wird. Erstens ist die dabei stets präsentierte Hilflosigkeit realer Opfer eine obszöne Unterstellung und zweitens ist der theatralische Reflex so stark, daß er den platt simulierten Schrecken peinlich mißlingen läßt. Die Vorstellung wirkt dann, als ob sie gegen etwas anspiele, das Programmheft versichert uns, dieses etwas sei "die Tradition", tatsächlich aber ist es das Stück selbst, das aus seiner üblichen, heute abend neuerlich zugespitzten Verballhornung herausblitzt mit nicht beherrschbaren Reflexen.

Alfonso schaut, was da draußen los ist, um erschreckt die wiederkehrenden Offiziere zu entdecken. Das läßt Kunze den Sinn "des nach der D-dur-Kadenz ganz unvermittelt einfallenden Dominantseptakkords von Es-dur" diskutieren. Er will Mozarts Empfindungsernst herausarbeiten. Darum lässt er Mozart nicht bloß "die jähe Wendung, die die Dinge nehmen" komponieren, sondern gleich "den namenlosen Schrecken". [ Kunze S. 478] Er wägt ab, ob hier Farce, Parodie, Selbstparodie, Irreführung oder bloße Illustration am Werke sind. Seine kaum überraschende Option für wahrhaftige Schrecknisse hat auf einem mageren Septakkord kein rechtes Fundament, also streckt er mit Überlegungen wie: "Die fingierte Rückkehr der alten Liebhaber hat schließlich ernste Folgen, für die Mädchen, aber auch für die Liebhaber" : "Das Spiel ... ist aus, die Stunde der Entscheidung hat geschlagen". Auf Schritt und Tritt finden wir diese Art der Kontextbeleuchtung in einen musikalischen Sachverhalt hinein, aus dem heraus dann, eine Illusion der Richtung, der Sinn des Ganzen springen soll, als wäre der Septakkord allein jetzt ergiebiger. Wenn Alfonso seiner Bestürzung Ausdruck verleihe, sei das zwar Verstellung, doch in 'Wirklichkeit' treibe das Geschehen der Katastrophe zu. Mozarts Musik beziehe sich nicht bloß auf Don Alfonsos Gehabe, sondern gelte auch dem Zustand der Mädchen (den er darum anführt, weil er hier unverstelltes Entsetzen zuhaus glaubt). Durch diesen doppelten Bezug fasse die Musik Verstellung und Wirklichkeit[!] in sich. Die "Wirklichkeit" ist der eigentliche Gewinn der Überlegung. Erst der "namenlose Schrecken" und jetzt die "vollständige Fassungslosigkeit" der Mädchen wollen in voller Wahrheit genossen sein, da ist eine Musik, die das ironische Theater Don Alfonsos illustriert und bruchlos auch den verwirrten Damen eine theatralische Reserve bereithält, nicht vorstellbar.
Alfonsos Ironie und Theater aber dürfen die Damen vorbehaltloser sich überlassen, als den abgeschmackten Katastrophen, die ihre kritischen Beschützer ihnen bereiten. Enttäuscht denn Alfonso das Vertrauen, das er fordert?


Rasserenatevi,
Ritranquillatevi;
In me fidatevi,
Ben tutto andrà.

Fasst euch,
beruhigt euch wieder;
Vertraut mir,
es wird alles gut werden.





II/18

Die Text/Musik-Opposition kann übertrieben werden: Die Empörung der Offiziere sei

"einerseits theatralisch überzogen (Text), andererseits aber nichts weniger als parodistisch (Musik), da doch auch für das Freundespaar eine Welt zusammengebrochen ist." [ Kunze S. 483]

Warum also kann die Musik nicht parodistisch sein? Weil Mozart, scheint´s, keine Späße macht, wenn "eine Welt zusammenbricht". Das ist von einer Einfühlung, die mit sicherem Instinkt für das Gemütliche alle Komik der Szene ausmerzt. Wenn aber Mozart genau hier ("Blut soll in Strömen fließen!") vom Text sich hätte lösen wollen, er wäre ohne Chance gegen den Sog des komischen Theaters. Das der Herren hat hier seinen souveränsten Augenblick, sie spielen wie die Sieger, zu denen Alfonso sie gemacht hat, sie spaßen. Ihre Welt bricht keineswegs auseinander, sie haben sie, ein bißchen verbeult, gewiss, zum ersten mal wieder einigermaßen im Griff. Und das schöne daran ist gerade, wie die Formeln ihres Ehrenkodexes ihnen selbst komisch durchsichtig werden, wählbar, beherrscht, verzichtbar, eine zwingende Option aufs glückliche Finale. Erinnern Sie sich, wie beschränkt der wildwütige Ferrando und der steife Guglielmo in der Wettszene noch am Gebotenen zappelten!

Das dramaturgische Geschick der Autoren fällt Alfonso zu: die Herren diese Szene überhaupt spielen zu lassen! Sie haben gar keine Gelegenheit, ihre Wut unmittelbar, "persönlich" an den Damen auszulassen, sie müssen noch immer spielen, nicht länger die Albaner, sondern sich selbst, den Skandal erst entdecken, der so zu ihrem coup de theatre wird. Die Blessuren und Irritationen sind wettgemacht durch das Theater und die bestimmende Figur, die sie jetzt darin machen dürfen. Kummer oder Wut werden in der Bestürzung oder Rachsucht ihrer Laiennummer komisch, und das (souverän provozierte) Gelächter des Publikums ist dankbar, ohne Beleidigung. Je wütender sie den Ernstfall simulieren, desto sicherer katapultiert das Spielen sie ins glückliche Finale. Man müßte dem Text seine theatralische Durchsichtigkeit trüben, um dem Weltuntergangsgeschmack zu frönen. Heraus käme unfreiwillige Komik. Die Passage ist vollkommen gleichgültig gegen jedweden Ernst, probieren Sie das aus, was immer Sie substituieren, es wird komisch; Mozart wäre der letzte, das zu übersehen, statt zu goutieren. Dazu hat sie ein dramatisches Interesse, das über die komische Empörung hinausgeht. Die Herren wollen ihren Damen Angst machen. Sie drohen nämlich, die Albaner im Nebenzimmer zu morden. Eine Musik, die unablässig Zeichen ihres Leichtsinns gäbe, würde keinen Eindruck machen.
Darum verzieht sie das Gesicht nicht, ob es komisch, grausam oder beides wird, sie ist parodistisch in einem absoluten Sinn, ohne alle Faxen. Die Nonchalance, mit der Mozart den seriösen Lärm unverstellt in diese Situation trägt, kann kein Grund sein, die Situation selbst mißzuverstehen. Komisch ist sie nicht obenhin und bitterer Tränen wert bei genauerem Zusehen, sondern das ganze komplexe Ding ist komisch. Das Unbehagen am komischen Mozart und die Gleichgültigkeit gegen das Libretto bürden der Musik auf, was ihr im Leben nicht einfiele. Im Finale verfahre Mozart "eigenmächtig". Sein Werk sei es, "daß am Ende von Così fan tutte wirkliche Versöhnung stehen" könne. [ Kunze S. 489] Die Musik soll in einer maßlos abgefeierten Versöhnung schon bieten, was nach ihr und außerhalb des Stückes dran wäre. Um Mozarts Triumph zu feiern, statt wie bisher sein Scheitern zu erklären, tritt bequem das alte Vorurteil vom "marionettenhaften Mechanismus" des Librettos in seine angestammten Rechte. Den aber brächte nicht Mozart noch die spekulativste Musikwissenschaft zur Besinnung. Denn das glückliche Ende hängt allein an der Möglichkeit zu bewußteren Beziehungen, wie sie nicht Mozarts Finalraffinement, sondern das ganze Stück entwickelt. Die Ironie, daß niemand davor bewahrt wird, gerade so weiterzumachen wie bisher, darf dabei so wenig fehlen, wie die eröffnete Möglichkeit selbst. Ironie und Komik sind es doch, die die zartere Moral vor der Seichtheit bewahren. Inszenierungen, denen das Ende fragwürdig scheint, verlieren zwar leicht den glücklichen Augenblick (und das bleibt schade), aber wir verstehen, daß der Augenblick nicht alles ist und das Stück, im Ende ein Entwurf, mit Uwe Johnson zu reden: ein Vorschlag, vor der Ehe zuende.


Den Schreck der Bräute würdigt da Ponte mit dem dritten und letzten Erscheinen der Formel von der versagenden Stimme. Wieviel ist einer Inszenierung gewonnen, wenn sie die Damen mit diesem Text ganz nach vorn holt: Dem Schreck nimmt das nichts, im Gegenteil, und die Balance von Herren - und Damentheater hätte eine Perspektive.

Ein bestimmtes musikalisches Detail fordert eine Deutung heraus, und zwar die Wiederholung der "B-dur-Auftrittsmelodie der `zurückgekehrten' Liebhaber" durch die Frauen.
"Sie wirkt hier durchaus deplaziert, wie eine Formel, die haften blieb im Augenblick, als die Mädchen entgeistert ihre alten Verlobten plötzlich wieder vor sich sahen." [ Kunze S. 483]
Abert hört das anders. Seine Abneigung gegen ein Machwerk von Libretto ist gerade so stark wie seine Leidenschaft für kleine Mädchen:
"Der Text bewegt sich auch hier noch auf dem tragischen Kothurn, der Komponist aber erbarmt sich seiner Geschöpfe und läßt sie einfach singen, wie es ihnen in ihren geängstigten Mädchenherzen wirklich zumute ist; ein rührender Zug ist es, wenn sie sich ... zu jener Begrüßungsmelodie der Männer flüchten, als könnte ihnen davon die Rettung kommen." [ Abert S. 561/2]
Herz zuletzt glaubt, nun haben
"die Damen Oberwasser - die schon vorher erstaunlich frisch und frei den Heimkehrer-Song der beiden Krieger imitiert und diese zum Stammeln gebracht hatten: mit einer Chuzpe ohnegleichen ... reißen sie die Situation an sich".
Leere Wiederholung, Verwirrung, Entgeisterung bei Kunze; hilflose Imitation in der Angst bei Abert; souveränes Spiel mit der Vorlage der Herren bei Herz. Aberts geängstigte Mädchen, die singen, wie ihnen ums Herz ist, werden Lügen gestraft von ihrer Absicht, die Herren von dem bewußten Zimmer fernzuhalten. Darum nämlich geht es: die Herren machen Miene, das Unangenehmste zu tun; unter Morddrohungen auf die Tür zu, alles dick aufgetragen, bärenkomisch, und viel weniger verletzt oder empört als geglaubt wird, sondern mit Genuß an der Bredouille, in die sie ihre Damen jagen. Die fallen ihnen in den Weg mit dem etwas vagen Geständnis im Ton der schlechten Romane. Das ist allerdings der tragische Kothurn, aber doch nicht, weil es da Ponte an Einsicht mangelte in die wahre Situation, die nur Mozart mit herzigen Terzen und der rührenden Wiederholung der Herrenmelodie richtig begriffe. Das hinhaltende und wirklich nicht sehr tragfähige Angebot der Damen lautet: Reue ja, für umsonst und ewig, Fakten nein. Die einzig denkbare Reaktion der Herren ist ihr promptes "Cosa fu?" Was war? Aber konkreter werden die Damen deshalb nicht, sie lenken etwas hilflos auf Despina und Don Alfonso ab, - der sie zu verraten scheint und die Herren ins Zimmer weist. Von der Chuzpe der Damen läßt sich kaum noch sprechen, auch wenn wir den theatralischen Reflex bemerken, der sie vor den Zudringlichkeiten der Kritik bewahren sollte (Furcht und Zittern Formel, Souvenir aus I/15, der wahre Schrecken im wahren Theater). Das sind keine kleine Mädchen, aber ihr "Oberwasser" wird bei Herz einfach zu sehr strapaziert: aus der Gesamtheit der Signale werden solche primadonnesker Souveränität allzu umstandslos auf die Simulation der bestürzten Damen geklappt. Das Theater kommt ihnen wie eine persönliche Eigenschaft zu, damit sind die ironischen Reflexe und Distanzen beinahe so gründlich getilgt wie vor Aberts ewigen Gänsen.
Bleibt Kunzes Idee von der Deplaziertheit der Formel, 'die haften blieb, als die Mädchen ihre alten Verlobten wieder vor sich sahen'. Das hat viel für sich, vor allem gibt der Text ihm Recht. Die Wiederholung kommt heraus als ein unwillkürliches Souvenir an den genauen Augenblick der Erkenntnis: "Il mio fallo tardi vedo" [spät erkenn ich mein Vergehen]; als - mit dieser Melodie - die alten Verlobten überraschend in der Tür standen. Aber: Erst da und nur deshalb. Mitten im Ablenkungsmanöver wird solche Unwillkürlichkeit verräterisch und perfekt komisch. Diese frivole Naivität ist rührend schlimm und bar der behaupteten Moral, es sei denn, die Umstände zwängen dazu.


Im Unterschied zu Guglielmos Liebesduettreminiszenz fehlt dem Enthüllungsauftritt Ferrandos außer den Resten des Kostüms jede konkretere Erinnerung. Wahrscheinlich ist wirklich mit dem Strich einer früheren Nummer der Rückbezug verlorengegangen. In das fertige Stück aber passt auch die Beziehungslosigkeit und zwar als charakteristischer Gegensatz zu Guglielmos Verabschiedung von Dorabella. Ferrandos Indifferenz wirkt förmlich neben der wachen, besitzergreifend erotischen Erinnerung Guglielmos. - Trotzdem bleiben Inszenierungen, die den Affairen einen heimlichen Bestand über das Finale hinaus einräumen, schief und eine Nötigung der Ironie, wo die schlichte Lustspiel-Moral als eine Zumutung abgetan wird, bevor sie durchsichtig genug für eine fragilere werden kann.

Wem seine ironische Indifferenz Anlaß zu feierlich übler Laune, ihre helle Freude verdächtig sind ("Fehlen des Abgrunds...ist das Abgründige an Così" [ Nagel S.42] , der hat den rechten Begriff von wahrer Heiterkeit nicht, wie ihn im vollen Ornat der theatralischen Sendung das finale Tutti stiftet.
Der Theorie, die Paare würden vielleicht in ihrer neuen Zusammensetzung neu verlobt, steht außer dem Sinn des Ganzen ein Detail des Finales im Weg. Es ist auch schon der einzige klare Hinweis, ein Zeichen, nicht wie fragwürdig die Wiederherstellung der alten Verlöbnisse, sondern wie selbstverständlich und keines weiteren Kommentars bedürftig sie ist. Guglielmo gibt Dorabella das Bild Ferrandos zurück und fordert sein Herzchen dafür. Wir können uns, auch anlässlich seiner anzüglichen Betonung "signora mia" alles mögliche dabei denken, eine offizielle Verlobung mit ihr scheidet aus.
Kaum daß die Damen und Despina endlich begreifen, steuert Alfonso, der aufflammenden Wut der Damen wie etwaigen Ehrpusseligkeiten der Herren vorgreifend, den Dampfer auf kürzestem Weg ins Verlöbnis. Er hat recht behalten und die Offiziere werden sich seiner Weisheit beugen müssen. Seine Macht ist in diesem Moment vollkommen. Er könnte ein Desaster anrichten, überließe er alle vier dem offiziellen Reglement. Mit einem bloßen Seitenblick macht die Inszenierung den Schrecken einer besinnungslosen Konvention klar, bevor Alfonso uns und seine Opfer befreit. Zu Verlobung und Gelächter. Den einigermaßen überfahrenen Frauen hängt das Unwahrscheinliche noch etwas nach: "...se questo è vero", (wenn dies wahr ist) , Freispruch und neuerliche Verlobung nämlich, aber sie finden sich mit beschleunigter Dankbarkeit in ihr Treueversprechen.
Hier zwischen Berechnung des Zweckmäßigen und innigem Gelöbnis vollkommen unterscheiden zu wollen, ist gegen die Spielregeln. Und nicht allein gegen die der Komödie. Gewiß geht wie überall höchstwahrscheinlich auch "in Ferrara alles mit der Logik maximaler Trivialität weiter" (Henscheid) aber wie sentimental und überheblich ist es doch, davon so angewidert zu sein, und dabei die Möglichkeit, die das Stück erst eröffnet, zu überschlagen.
Und noch ein Wort zu Despina. Nicht der Einbruch eines individuell Persönlichen, sondern das genaue Gegenteil, ihre typische Unwandelbarkeit, so nötig für die Entwicklung des Stückes, fällt ihr im Moment der Scham beinahe wie ein Defekt zu - um im nächsten Augenblick ihre unsterbliche Präsenz zu garantieren.
Der Text des finalen tutti könnte seine Botschaft kaum gedrängter und zusammenhängender fassen. Mozart folgt ihm so eng und kleinteilig wie selten. Er hält uns mit gemalten Begriffen auf, als müßten Tränen, Stürme und Gelächter ruckweise vorgeführt werden, eine musikalische laterna magica. Mozart regrediert zum naiven Komödienfinale und schickt doch ironisch genug die Botschaft genau durch die leere Konvention. Denn wo die Konvention das Theater aufhebt (alle Spieler treten halb heraus aus den Rollen und vor an die Rampe) führt das "Malen" die Wechselfälle des Lebens in einer materialen Verfügbarkeit und Geschwindigkeit vor, die das Theater wiederherstellen und als vergnügliche Strategie empfehlen zu Gelassenheit und bella calma.
















Geitner, Ursula (Hg.): Schauspielerinnen: der theatral. Eintritt d. Frau in d. Moderne. Bielefeld 1988 zurueck




H. Wienhold/ E. Hüppe, "Così fan tutte" oder die hohe Kunst der Konvention, in: Mozart, die Da Ponte Opern, H.-K. Metzger, R. Riehn (Hg.), Muenchen1991 (Musik-Konzepte Sonderband) zurueck




Es grenzt m.E. an Verfolgungswahn, wenn K. Natosevic hier für gegeben hält, daß, auch wenn die Bühne dies aus sittlichen Gründen nicht zeige, Ferrando an dieser Stelle seinen Basilisken auspackt und die arme Fiordiligi damit schockiert, - so wie Natosevic im ersten Verführungsduett wegen sexueller Wippfiguren den Beischlaf für handgreiflich vollzogen hält. Es ist selber von groteskem Witz, wie die bravste Musikwissenschaft sich in so ein schlimmes Dessous wirft, um nur nichts falsch zu machen. Sie wiederholt einen Aufsatz von Mezzacapo di Senzo/ MacGabham (Mozart, die Da Ponte Opern, hg. Metzger, s.o.), der den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Im Bemühen, dem prüden Übersehen sexueller Anspielungen im Text ein Ende zu machen, verfehlen die Autoren, ganz wie jetzt Natosevic auch, das Wesentliche der Anzüglichkeit. Wie meist erschlägt die Erklärung mit ihrer platten Eindeutigkeit eben den Witz. So wird behauptet, und brühwarm von Natosevic wiederholt, Guglielmo und Fiordiligi vögelten (eine Art Hörspiel) live on stage, sei's wegen der Wippfiguren, sei's weil die Frage "che mai balza balza li" "nur Guglielmos Erektion meinen kann" (Mezzacapo S. 289). Dabei unterschlagen die Autoren etwas sehr Wesentliches. Angenommen die Wippfigur wäre tatsächlich eine schlichtes Zeichen für Sex, dann würde sie Sex bedeuten, nicht sein. Die pornografische Phantasie missachtet mit der ihr eigenen Ungeduld genau diesen Abstand zum Als-Ob eines wirklichen Bühnenficks.
Dieselben Autoren lassen uns übrigens sprachlos zurück, wenn Sie es bei einer Stelle kurz vor dem Kanon im 2. Akt "Tocca e bevi, bevi e tocca!" (man stößt an), "der Phantasie des Lesers überlassen", zu raten, "worauf sich das bezieht". Gewisse Dinge sind wirklich so schweinisch, daß nicht einmal diese beiden es noch erklären würden. - Die Idee jedenfalls, Ferrando gäbe hier den Exhibitionisten, ist grotesk. Die Anzüglichkeit kann eben nicht so umstandslos in die simulative Ebene übertragen werden, ihre Differenz zur Szene ist gerade das Komische daran. zurueck




Jedenfalls in Gardiners begleitendem Text. Nicht aber in der musikalischen Realisation. Dort kann die gespannteste Ernsthaftigkeit erhaben, grausam und komisch zugleich wirken. zurueck




Nicht komponierte Abschnitte der Texte hatten ein größeres Gewicht, eine additive Realität, solange sie während der Vorstellung gedruckt gegenwärtig und die Libretti noch nicht durch Programmhefte ersetzt waren. Auch war es im Theater hell genug, um das Libretto zu lesen. Man wird die Stelle mit mehr Recht als etwa Beethovens Leonore zur Beschreibung Fiordiligis heranziehen dürfen, zumal sie ja nicht in Opposition zur komponierten Fassung steht.

"Gulielmo, anima mia!, perché sei tanto
Ora lunghi da me? Solo potresti ...
Ahimè! Tu mi detesti
Mi rigetti, m´aborri .. io già ti veggio.
Minaccioso, sdegnato, io sento io sento
I rimproveri amari, e il tuo tormento."

[Guglielmo, meine Seele!, warum bist du so viele
Stunden fort von mir? Wenn ich nur könnte ..
Ach! Du verabscheust mich
Du stößt mich zurück
Du verabscheust mich ... ich seh dich schon,
drohend erzürnt, ich fühle ich fühle
die bitteren Vorwürfe, und deine Strafe.] zurueck




II/7, Fiordiligi allein, unmittelbar nach Ferrandos Abgangsarie:
Ei parte ... senti .... ah no!
Partir si lasci, si tolga ai sguardi miei
[Fio.: Er geht ... höre(!) .ach nein!.. Mag er gehen,
sich meinen Blicken entziehen]
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Die Identifizierung Mozarts mit seinen Tenorrollen gehört zu den weniger umstrittenen Behauptungen der Rezeption. Vielleicht ist - mit einer unterschwelligen Ahnung vom Zusammenhang zwischen Idiotie/ Angst und Musik - der 'schwärmerische Lyrismus', mit dem man Mozart und Ferrando aufeinanderklappt, von jeher nur die weichgezeichnete Fasson eines ironischen, selbst- und produktionsbewußten Reflexes Mozarts in seinem Tenor.
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Koelling-Bambini in: Così fan tutte. Hg. Campai/ Holland Hamburg 1984 zurueck




Die Versuchung ist groß, seinen Abstand hier rückwirkend zu einem entwickelten Charakter zu münzen, als der er von Anfang an klug gegen Ferrando abstäche. Sehen wir aber, wie seine Ehre nur durch seine Niederlagen, nicht aber seine Erfolge gekränkt wird. Der düpierte Charmeur ist vielleicht noch wütender als der Moralist.zurueck




Das tut sie übrigens nirgends, auch im gleichgültigsten Libretto nicht, jedenfalls nicht im Sinn des bloß Zopfigen. Heute ist sie immer zuerst der Ausdruck einer Distanz des Theaters, die der Fortschritt in die Simulation zu tilgen suchte. zurueck